Land of the Free

Ich habe ein paar Tage nicht geschrieben, es gab eigentlich auch nichts zu berichten. Ich habe mich entschlossen, auch diese Woche nicht zur Arbeit zu gehen, es ist immer noch kein Gehalt überwiesen worden (die Gehälter von Januar, Februar stehen aus).

Stattdessen bin ich dabei, eine Website, die ich für einen Journalisten als Webmaster betreue, von Grund auf zu überarbeiten. Seit 5 Jahren habe ich nichts mehr an dem Layout gemacht, das wird jetzt mal Zeit, und die habe ich ja jetzt.

Ich stelle alles komplett auf XML / XSLT um, so dass Inhalte und Layout komplett voneinander getrennt sind. Natürlich mache ich alles wieder mal vieeeel zu gründlich und perfekt, so dass ich nicht wirklich finanziell auf meine Kosten komme, aber das ist normal bei mir. Wird mich aber einigermaßen entschädigen für das Geld, das mir entgeht, dass ich meinen regulären Job zwei Wochen blau mache diesen Monat (wenn die Firma nicht eh Insolvent anmelden muss).

Ich habe nachgedacht über den letzten Beitrag, den ich geschrieben habe, ob das nicht etwas exhibistionistisch von mir ist, solche Sachen öffentlich zu posten. Ist zwar anonym, aber Leute, die mich kennen, würden mich schnell an meinem Blog wieder erkennen, allein schon an dem Bild oben rechts (ein Ausschnitt aus einem Ölportrait, das eine Freundin von mir gemalt hat, und das in meinem Wohnzimmer hängt).

Vielleicht sollte ich solche Einträge, die sich mit sehr persönlichen Sachen beschäftigen, lieber nicht öffentlich machen.

Es geht mir bei diesem Blog vor allem darum, meine Genesung von meiner Krankheit Sucht zu dokumentieren, und dabei vielleicht sogar den einen oder anderen, der auch an dieser Krankheit leidet, auf den selben Weg zu bringen.

Vielleicht rechtfertigt das eine solche "Nabelschau"... Vielleicht habe ich aber auch schlicht niedere Motive dafür, Geltungsbedürfnis und Sucht nach Anerkennung.

Ich danke jedenfalls DantesMuse und freakchica für ihre Kommentare und Anteilnahme. Von beiden hatte ich vorher schon in ihren sehr interessanten Blogs gelesen, und werde das auch weiter tun.

Ich habe mit D. telefoniert, die Freundin, von der ich in besagtem letzten Beitrag berichtet habe. Ich habe nicht mit ihr über unsere abgetriebenen Kinder gesprochen, nicht aus Feigheit, sondern weil ich mir dann dachte, das würde wahrscheinlich bei ihr alte Wunden aufreißen, die gerade verheilt sind.

Sie machte einen besseren Eindruck als das letzte Mal, als wir miteinander sprachen, es scheint ihr ganz gut zu gehen. Leute, die sie nicht so gut kennen, können aber den Eindruck von ihr kriegen, dass sie verrückt ist. Ihre Eltern wollen sie anscheinend jetzt sogar wieder in die Psychiatrie stecken. D. will jetzt wieder in die USA abhauen. In den letzten Jahren ist sie immer wieder dort gewesen und kreuz und quer durch die Staaten getrampt. Ich meinte ja immer zu ihr, sie sollte unbedingt ein Buch schreiben über ihre Erlebnisse dort (auf jeden Fall wäre es ein interessantes Weblog gewesen, hätte sie eins geführt). Sie hat in LA mit Ghetto-Gangstern gelebt, in Wisconsin bei einer Sekte, in New York in der Bronx, in Illinois bei Indianern - ist aber auch übel auf Drogen gekommen.

Als sie vom letzten Mal in LA zurück war und eine Weile bei mir wohnte, brüllte sie die ganze Zeit nur rum, ich solle ihr gefälligst Speed besorgen, sie brauche Amphetamine, nur so könne sie ein normaler Mensch sein. In LA hatte sie ständig Crystal Meth genommen, das ist eine härtere, raffiniertere Art von Speed, statt einer Nacht steht man damit gleich tagelang senkrecht. Verhält sich ungefähr so wie Crack zu Kokain.

Sie hat mich damals sogar soweit gebracht, dass wir zum Kottbusser Tor gegangen sind und dort die Dealer angequatscht haben, ob sie Speed oder Crystal haben - was ich total verabscheute, ich bildete mir immer was darauf ein, nichts mit der Junkie-Szene dort zu tun zu haben. Die Dealer dort hatten natürlich nur Heroin, wir fragten ewig rum, bis wir eine winzige Menge schlechtes Koks zu einem krass übertriebenen Preis bekamen.

Deswegen mache ich mir auch Sorgen, wenn D. jetzt wieder in die USA fliegt, das letzte Mal war sie total runter gekommen, sogar kurz davor, auf den Strich zu gehen. Aber sie will jetzt nicht nach Los Angeles zu ihren Gangstern und Dealern, sondern nach Wisconsin, zu ihrer Sekte und ihrem Master Teacher. Ich halte nichts von dem Verein, habe einige Erfahrungsberichte von Leuten im Internet gelesen, die dort waren, die so richtig klassisch waren: total abgeschottet von der Außenwelt, die Sekte kassiert alles irdische Hab und Gut von Mitgliedern ein und macht sie schrittweise unfähig, sich in der wirklichen Welt zurecht zu finden.

Andererseits - D. hat sich auch hier schon von der Welt abgeschottet, hat keinerlei Hab und Gut und ist auch so schon ziemlich unfähig, sich in der wirklichen Welt zurecht zu finden. Vielleicht ist sie ja doch bei den "Miracle Workers" gut aufgehoben.

Ich glaube jedenfalls nicht, dass sie D. in der Psychiatrie helfen können. Vor 1,5 Jahren habe ich sie mal dort besucht, die Leute werden da eher verwahrt und verwaltet, anstatt dass ihnen geholfen wird.

D. hat sich sehr gefreut, als ich ihr erzählt habe, dass ich auch gerade dabei bin, meine spirituelle Seite zu entdecken (was sich bei ihr darin äußert, dass sie ihr patentiertes, irres "Mad Scientist"-Lachen mit 140 dB durch den Telefonhörer schickt :-) Ich bete zu meiner Höheren Macht, dass alles gut für sie ausgeht.

Ich habe bei dem Telefongespräch auch wieder was von der alten D. durchscheinen gehört, in die ich mich einst vor langer Zeit mal verliebt hatte - ein Mensch voller Wärme und Leidenschaft, voller Energie und kindlichem Staunen. Lange dachte ich, das sei alles kaputt gegangen durch Sucht und Wahn, aber es ist offenbar nur verschüttet.

Der Vollständigkeit halter: Es gibt auch Leute, die sagen, die 12-Schritte-Gruppen seien Sekten, die ihre Mitglieder verbiegen und ihnen schaden, es gibt sogar eine Anti-12-Schritte-Seite, die bei Google sogar als erstes kommt, wenn man "12 Schritte" eingibt. Ich habe mir die Sachen auf der Seite durchgelesen, aber nichts dort gefunden, was mir wirklich stichhaltig erschien und mich ernsthaft daran zweifeln ließ, dass mir die Meetings bei Narcotics Anonymous helfen und gut tun.

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